Mittwoch, 28. September 2011

NARRENSPIELE ( Via Gert )

Wenn ein Mensch in einem Moment geistiger Klarheit zu einer Erkenntnis kommt, diese in sich speichert  und dann später trotzdem wider diese Erkenntnis handelt, ist er ein Narr. In unser stark von Vernunft geprägten Gesellschaft hat der Begriff " Narr" einen eher negativen Beiklang. Im Tarot hingegen ist der Narr derjenige, der völlig frei von Konventionen seinen eigenen Weg geht, nur durch die eigene Intuition geleitet Entscheidungen trifft. Er ist dabei rein lust-orientiert, was prinzipiell gut ist, jedoch Gefahren birgt wenn man es übertreibt, dabei über das Ziel hinaus schießt.

An dem Tag, als ich mit Franz die "Dreams of Infinity" das erste Mal durchgestiegen bin und das Ende meiner Sysiphus Arbeit in Sicht war, kam ich müde und glücklich am Camping Platz In Pietramurata an. Ich traf einen mir bekannten Kletterer, den ich etwa 10 Jahre nicht mehr gesehen hatte und der mich fragte, in welcher Wand ich an diesem Tag unterwegs gewesen bin. Ich erzählte ihm von meiner Tour und spontan sagte ich zu ihm, dass dies für mich die letzte Aktion dieser Art war und dass ich mir diesen Stress in Zukunft nicht mehr antun würde. Dass ich nicht mehr wie ein Gestörter meist allein nach Arco fahren wolle, schwere Rucksäcke zum Wandfuß schleppen und so weiter. Die Suche nach Kletterpartnern für die Tour war ziemlich frustrierend gewesen und oft hatte ich in der Wand ganz schön Schiss gehabt. Gut, die Sache zu Ende gebracht zu haben, das wars!


Im Jahr darauf war ich wieder in der großen Plattenwand des Monte Brento unterwegs, diesmal mit meiner liebsten Marina. Wir kletterten die "Via Speranza" von Heinz Grill. Die Tour verlief reibungslos und hat uns viel Spaß gemacht. Wenige Wochen später wollten wir die "Emozioni" gehen, eine schwere Plattentour bis zum 8. Schwierigkeitsgrad. Ich hatte an dem Tag eine wehe Schulter, was uns nach 8 Seillängen zum Aufgeben zwang. Etwas traurig seilten wir zum Wandfuß ab. Da wir noch viel Zeit hatten, wollte ich Marina noch den Einstieg zu "Dreams of Infinity" zeigen und ehe wir uns versahen, waren wir zwei Seillängen in der Tour hinauf geklettert. Es faszinierte mich, dass ich noch fast jeden Griff auswendig kannte, schließlich war ich den unteren Teil der Route oft geklettert. Völlig losgelöst von Angst und Zweifel stieg ich mit fließenden Bewegungen nach oben. Ja, so soll das Klettern sein, frei wie ein Vogel!
Ich war derartig begeistert, dass sich mir der Gedanke aufdrängte, ich sollte es wieder tun, eine neue Ertsbegehung in dieser Wand machen.

Zu Hause angekommen, sah ich mir im Computer Wandphotos an und schnell sah ich, dass es zwischen der Emozioni und der Spigolo Betty im rechten Wandteil eine große Lücke gab, in der noch keine Route verlief.
Ich hegte die Hoffnung, dass ich Franz für dieses Unternehmen überreden könnte und schickte ihm eine email.
Nachdem er sich mit einem Freund, der die Wand auch kennt, ausgetauscht hatte, schrieb er mir zurück, dass er Lust hätte, diese Erstbegehung mit mir zu machen, doch die nächste Zeit wäre es viel zu heiß für solche Unternehmungen. Ich freute mich über seine Zusage, doch ich wollte am Liebsten am nächsten freien Wochenende beginnen, denn wenn ich von einer Sache begeistert bin, will ich es tun, nicht warten.

Marina, der ich von meiner Idee natürlich sofort erzählt habe, hat durch ihre Reisen im Sommer wenig Zeit und wenn, dann will sie Routen klettern um in Form zu bleiben. Durch sie erfuhr Robert, ein guter Freund Marinas und mittlerweile auch von mir, von meinem Vorhaben. Als ich diesen bei einem Grillfest traf, sagte er mir, dass er große Lust habe, mitzumachen. Ja, er habe an dem von mir vorgeschlagenen Start-termin Zeit und wolle gerne mit mir nach Arco fahren.
Ich muss zugeben, dass ich am Anfang etwas skeptisch war, was die Zuverlässigkeit solcher Zusagen betrifft.
Zwar hatte ich Robert letzten Winter beim Eisklettern als sehr netten, absolut korrekten Menschen kennen gelernt, doch damals hatten wir uns nicht über Erstbegehungen unterhalten und jetzt tauchte er quasi "aus dem Nichts" auf , bereit, sofort mit mir loszulegen. Das war für mich einfach " zu schön um wahr zu sein".
Doch so war es und so ist es: Robert hat die gleiche Begeisterung dafür, neue Wege zu gehen und er verfügt auch über die nötige Ausdauer, ein derart großes Projekt durchzuziehen, dranzubleiben.

Mittlerweile ist es mehr als ein Jahr her, dass ich mit Robert die NARRENSPIELE begonnen habe und wenn wir im Oktober noch den Feinschliff in 3 Seillängen hinbekommen und den Gesamtdurchstieg schaffen, ist die Route fertig und wir können sehr, sehr zufrieden sein mit dem Ergebnis.
Es hat ein großer Felssturz in der Wand stattgefunden, der uns fast 2 Seillängen zerstört hat, die wir mühevoll wieder aufbauen mussten. Wir sind in eine Sackgasse geklettert, was bedeutet hat, die Haken aus zwei weiteren Seillängen wieder entfernen zu müssen und einen neuen Weg zu suchen und oftmals war die ganze Angelegenheit ziemlich mühsam. Auch das Wetter war uns nicht immer hold.
Trotzdem war jedes Wochenende mit Robert am Monte Brento ein Highlight, besonders, was " das Menschliche " angeht. Nie ist uns der Gesprächsstoff ausgegangen und immer war es unbedeutend, wer von uns gerade " der Bessere " war. Irgendwo auf dem langen Weg, den wir gegangen sind, sind aus Kletterpartnern gute Freunde geworden und das ist mehr wert als die Tour selbst, auch wenn uns eine großartige Linie gelungen ist.

Danke Robert, es ist sehr schön mit Dir und wir werden sicherlich noch viele wertvolle gemeinsame Erlebnisse haben, am Berg und im alltäglichen Leben.

Alles in Allem hat es sich gelohnt, ein Narr zu sein, der Vernunft zu trotzen und meine Träume  auszuleben. Ich will versuchen, diese Erfahrung in die anderen Bereiche meines Lebens zu integrieren und so oft wie möglich die Grenzen der Konvention durchbrechen

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